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  • Writer's pictureAnna

Back to school...

...heißt es für mich dieses Jahr, denn Teil meines Freiwilligendienstes ist das Arbeiten in meiner Einsatzstelle: dem Collège Saint Gabriel. Nachdem ich nun richtig im Schulalltag drinnen bin, möchte ich nun ausführlich über das Schulleben, über meine lieben Schüler und Kollegen und über meine persönlichen Herausforderungen berichten.


Gegründet wurde die katholische Privatschule 1954 und beherbergt heute Schüler von der 7. bis zur 13. Klasse. Das Collège wird von Jungen als auch von Mädchen besucht und das unabhängig von ihrer Religion, muslimische Schüler gliedern sich also ganz selbstverständlich in das Schulleben mit ein. Jedoch müssen alle Eltern Schulgebühren für ihre Kinder bezahlen, was anders als in den öffentlichen Schulen ist, die sind hier nämlich kostenlos. Nach der 10. Klasse erhalten die Schüler ihr „BFEM“, welches vergleichbar mit der mittleren Reife ist. Nach drei weiteren Jahren schreiben die Schüler dann in der „Terminale“, also der Abschlussklasse, ihr Abitur. Dabei ist das ganze Schulsystem sehr stark an dem Französischen orientiert. Beispielsweise können die Schüler zwischen einem literarischen und einem (natur-)wissenschaftlichen Abitur wählen.


Meine Mitfreiwillige Caro und ich unterstützen das Lehrpersonal im Deutschunterricht, wobei wir uns die Klassen untereinander aufgeteilt haben, sodass wir immer nur einzeln eine Lehrkraft begleiten. Das bedeutet also, dass wir keine Klasse alleine unterrichten, sondern den Lehrern während und nach dem Unterricht helfen. Beispielsweise übernehmen wir Übungseinheiten oder bereiten Lektionen vor, dabei sehen wir unsere Stärken zum Beispiel in der Aussprache oder im Korrigieren der Klassenarbeiten. Die grobe Organisation des Unterrichts und das Erklären komplexer Grammatikpunkte übernimmt dann die Lehrkraft. Die durchschnittliche Klassengröße beträgt 50 – 60 Schüler, zudem sind die Lehrmittel auf eine Tafel und Arbeitsblätter begrenzt, die die Lehrkraft ab und zu austeilt. Der Schulalltag hier wird also mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert, als der mir bekannte in Deutschland. Zum einen ist es schwierig so viele Schüler gleichzeitig zu erreichen und an der Stange zu halten, zum anderen kann sich der Unterricht auch sehr ziehen, da das Abschreiben der Tafelbilder viel Zeit in Anspruch nimmt. Bücher oder Arbeitsblätter werden nämlich selten verwendet und so müssen alle Übungen und Lektionen von den Schülern abgeschrieben werden.


Die Schule hat mit sieben Klassenstufen und je sechs bis sieben Klassen pro Stufe ca. 2.800 Schüler. Das Schulgelände an sich ist dementsprechend sehr großflächig und hat auch wenig mit den deutschen Schulgebäuden zu tun. In einem sandigen Pausenhof stehen zwischen riesigen Bäumen sieben lange und zum Teil auch mehrstöckige Gebäude, die Klassenräume und ein paar Büros beinhalten. Fehlen darf natürlich auch nicht der riesige Fußballplatz, aber auch Hand- und Basketball können hier auf eigenen Plätzen gespielt werden. Der Unterricht geht jeden Vormittag von 8 bis 12 Uhr und am Nachmittag von 15 bis 18 Uhr, dazwischen liegt eine lange Mittagspause, in der alle Schüler nach Hause gehen um zu Essen und sich auszuruhen (die Mittagshitze ist hier nämlich nicht zu unterschätzen). Das Schuljahr ist wie in Deutschland in zwei Semester unterteilt, große Sommerferien gibt es von Juli bis September, eine Ferienwoche an Weihachten und zwei an Ostern. Ganz normal ist hier im Senegal auch das Tragen von Schuluniformen, was mir eigentlich ganz gut gefällt. Jede Schule in Thies hat ihr eigenes Farbschema, sodass ich auf der Straße gleich erkennen kann, auf welche Schule der Schüler geht, bzw. ob er in einer Klasse von mir ist – das ist nämlich gar nicht so leicht zu merken. Insgesamt zähle ich ca. 300 Schüler in meinen Klassen, sodass das Erinnern der Gesichter und Namen schon eine echte Herausforderung ist.


Durch die Partnerschaft der Diözese Thies mit Bamberg wird dem Deutschunterricht in der Schule nun mehr Bedeutung gewidmet, als z.B. dem Spanischunterricht. Alle 8. Klassen fangen mit Deutsch an und dürfen nach einem Jahr wählen, ob sie es fortführen wollen oder ob sie als zweite Fremdsprache Spanisch wählen möchten. In knapp der Hälfte unserer Stunden unterrichten wir also Deutsch für Anfänger, in der anderen Hälfte haben wir dann schon fortgeschrittenere Klassen. Pro Woche habe ich 18 Stunden Unterricht und bereite daneben noch Lektionen und Übungen vor oder korrigiere Tests. Bei den Jüngsten fangen wir mit den Begrüßungen, den Tageszeiten oder ganz einfachen kurzen Sätzen an, in höheren Klassenstufen lernen die Schüler schon den Unterschied zwischen Dativ und Akkusativ. Das Niveau in der Grammatik ist höher als ich erwartet habe, doch zeitgleich bemerke ich auch, dass die Schüler Probleme beim eigenständigen Sprechen oder Schreiben haben. Vielen fehlt das Sprachgefühl, denn im Unterricht wird sich mehr auf Grammatikübungen oder Textverständnis konzentriert. Kreatives Schreiben oder gesprochene Dialoge werden selten behandelt, was ich sehr schade finde, aber das ist nun mal kein Bestandteil des Lehrplans.

Zudem wird hier fast ausschließlich Frontalunterricht gehalten, Zentrum des Unterrichts ist das was der Lehrer sagt oder an die Tafel schreibt. Gruppenarbeiten oder Referate, die ich aus meinem eigenen Schulleben kenne, gibt es hier selten – bei einer Klasse mit durchschnittlich 60 Schülern sind solche Projekte aber auch schwer umzusetzen. Für uns als Lehrer ist es demnach schwierig den Fokus mal auf einzelne Schüler zu legen, es wird also eher darauf geachtet die Masse mitzuziehen. Für mich war das an manchen Stellen etwas frustrierend, doch ich musste eben auch lernen, dass manche deutsche Lehrmethoden vielleicht in der Theorie besser funktionieren, man sie aber nicht überall umsetzen kann. Also versuche ich so gut es geht meine Stärken hier einzubringen und dort zu helfen, wo ich es sinnvoll erhalte, um den Schülern hier ihre bestmögliche Bildung zu ermöglichen.


Mittlerweile habe ich mich schon gut in den Schulalltag eingelebt, habe erste Höhen und Tiefen überstanden und komme aber trotzdem aus dem Lernen nicht heraus. Anfangs befand ich mich noch in der Beobachterposition, da ich erst verstehen musste, wie das Schulleben hier abläuft. Wie ist der Unterricht aufgebaut? Was kenne ich aus meiner Schullaufbahn und was ist für mich neu? Wie geht der Lehrer mit den Schülern um, und viel wichtiger: Welches Verhältnis soll ich selbst zu den Schülern aufbauen? Das ist eine Frage, die mich noch immer beschäftig, da ich versuchen möchte die Balance zu finden, zwischen der netten Freiwilligen und der strengen Lehrerin. Natürlich will ich den Schülern „Spaß am Lernen“ vermitteln und sie dazu motivieren sich an der Deutschen Sprache zu versuchen. Doch zeitgleich fühlt es sich falsch an, ein zu freundschaftliches Verhältnis zu ihnen aufzubauen, denn nach wie vor bin ich für sie eine Autoritätsperson, die genauso wie die anderen Lehrkräfte respektiert werden soll. Mit jedem neuen Schultag lerne ich also mehr dazu und wachse mehr und mehr in die Rolle einer Deutschlehrerin hinein. Auch wenn ich weiß, dass ich beruflich eher nicht in diese Richtung gehen möchte, bin ich dennoch froh, über jede gute oder schlechte Erfahrung die ich mache.


Dazu gehört unter anderem auch das Schlagen. Ziemlich oft erlebe ich im Unterricht mit, dass der Lehrer den Schülern feste Kopfnüsse gibt oder auch manchmal mit einem Lineal auf den Kopf schlägt. Ausschließlich beobachtete ich, dass Jungen geschlagen werden. Zeitgleich bemerkte ich aber auch, dass die Schüler aber schon daran gewöhnt sind und es anscheinend hier zum Alltag gehört. Wir Freiwillige befinden uns da in einer ziemlich unangenehmen Lage, da für uns so ein Verhalten eigentlich inakzeptabel ist. Trotzdem interveniere ich in solchen Situationen nicht, obwohl ich das gerne würde. Die Erziehung im Senegal ist eine andere als in Deutschland und ich möchte den Menschen hier nicht vortragen, was ich von diesem Erziehungsstil eigentlich halte. Auch wenn ich diese Maßnahme zutiefst ablehne, muss ich anerkennen, dass es nun mal Teil der Erziehungskultur hier ist. Ich möchte als Freiwillige nicht den Weltverbesserer spielen, sondern einfach selbst mit gutem Beispiel voran gehen oder die sachliche Diskussion suchen. Ich erinnere mich aber auch, dass es in den deutschen Schulen vor wenigen Generationen nicht anders ausgesehen hat und der Senegal gerade auf dem Weg ist, sich zu wandeln. Mit Freunden habe ich mich zum Beispiel schon darüber ausgetauscht und viele waren der Meinung, dass es Zeit ist, diese Methoden aus der Schule zu verbannen. Offiziell ist den Lehrern das Schlagen auch verboten.


Mir macht trotz manchen Frustrationen das Arbeiten an der Schule richtig Spaß, vor allem nachdem ich mich so richtig eingegliedert hab. Viele Schüler sind sehr cool drauf und haben eine unglaubliche Energie, die tatsächlich sehr anstrengend, aber auch erfrischend ist. Klar gibt es immer noch die Störenfriede in der letzten Reihe, doch auch die lerne ich mit der Zeit zu kontrollieren. Im Pausenhof wird mir nicht mehr „Bonjour“ sondern „GUTEN TAG“ entgegengerufen und wenn sie sich trauen, dann folgt sogar ein „Wie geht es dir?“. Andersrum sind sie sehr begeistert oder auch belustigt, wenn ich ihnen mit meinem gebrochenen Wolof antworte. Die Offenheit und Lebensfreude, dich ich hier im Senegal kennengelernt habe spiegelt sich auch bei meinen Schülern wieder, rundum fühle ich mich also sehr wohl. Am letzten Tag vor den Weihnachtsferien wurde in jeder Klasse eine Party organisiert und Caro und ich haben es tatsächlich geschafft, bei fast jeder unserer Deutschklassen vorbei zu schauen. Bei allen haben wir kurz mitgefeiert oder auch mitgetanzt, es gab nämlich ordentlich Stimmung und überall lief laut Musik – so wie es im Senegal eben üblich ist.


Der letzte Tag vor den Ferien! Lehrer und Schüler haben ordentlich gefeiert und zum Abschluss gabs dann noch ein legendäres Fußballspiel: die verheirateten Lehrer gegen die Singles...

Ein anderes Highlight in der Schule sind auf jeden Fall unsere Kollegen, die wir schon echt ins Herz geschlossen haben. Ca. 60 Lehrer arbeiten fest am Collège, dazu kommen aber noch viele Aushilfslehrer, die nur ein paar Mal in der Woche da sind. Das Durchschnittsalter der Lehrer ist auf jeden Fall niedriger als in Deutschland, zudem gibt es auch mehr männliche als weibliche Lehrer. Alle waren sehr neugierig uns kennenzulernen und wir wurden sofort in die „Familie“ mit aufgenommen. Für all das bin ich so dankbar und weiß jetzt schon, wie sehr mir der Alltag hier fehlen wird, auch wenn die Rückreise noch in weiter Zukunft liegt.


Insgesamt bin ich mit meiner Einsatzstelle also sehr zufrieden und fiebere schon auf den Moment hin, wenn die Schüler zufrieden ihre Abschlusszeugnisse in den Händen halten. Für mich wäre es das schönste am Ende des Jahres von den Schülern zu hören, dass ihnen das Schuljahr mit Deutsch Spaß gemacht hat und sie was daraus lernen konnten – denn dann habe ich das Gefühl, hier auch wirklich etwas zurück geben zu können!


Slideshow mit noch mehr Eindrücken:


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